Ghostbusters: AfD

In Ghostbusters II droht ein unterirdischer Schleimfluss New York zu zerstören. Dieser Schleimfluss speist sich aus negativer Energie, er wächst, je mehr man hasst und wütet und schlechte Gedanken hat.

An diesen Schleimfluss muss ich denken, wenn ich an die AfD denke.

Letztes wurde in Weimar das Hinterzimmer, eine studentische Kneipe, von einem AfD-Sympathisanten übernommen, der dort einen AfD-Stammtisch einrichtete. Es kam zu Protesten, mit Bannern und Dudelsäcken und Trillerpfeifen, Menschen hielten ihre Ärsche in die Kamera, Biomüll wurde vor der Kneipentür abgelegt, ein halbverwester Schweinekopf.

Jede Form dieses Protests nahmen die lokalen AfDler nicht nur hin, sondern schienen daran zu wachsen, so wie der Schleimfluss aus Ghostbusters, der Hass schien sie größer und stärker zu machen, stolz posteten sie Smartphonefotos auf ihren Facebookseiten, wir gegen die Welt, je wutentbrannter der Protest, desto mehr Berechtigung für unsere Politik.

Protest also, Hass auch und am Wochenende eine Wahl. Sehr wahrscheinlich wird dann die Alternative für Deutschland von den wahlberechtigten Deutschen mindestens zur drittstärksten Partei des Landes gekürt werden.

Zeit bliebe bis dahin noch, um mit Freunden, Bekannten, Verwandten zu sprechen, welche die AfD wählen wollen. Man könnte nach Gründen fragen und wenn diese Gründe kommen -»aus Protest«, »für eine starke Opposition«, »gegen andere Parteien«, »gegen Merkel«, »weil die kein Blatt vor den Mund nehmen« etc. – klar machen, dass die AfD zu wählen eben auch bedeutet, Rassismus, Nationalismus, Revisionismus, etc. billigend in Kauf zu nehmen und damit zu unterstützen.

Man könnte den Freunden, Bekannten, Verwandten vor Augen führen: Du bist kein Neonazi, wenn du die AfD wählst, aber du machst dich gemein mit den Schandmalen, Menschenentsorgungswünschen, der Renaissance des Völkischen.

Doch würde dies nichts am wahrscheinlichen Ergebnis ändern. Ab Herbst wird die Alternative im Bundestag sitzen, Teil von Gremien sein, die über Kultur, Wissenschaft, Familienpolitik und Soziales debattieren, Papiere schreiben und Empfehlungen aussprechen. Und sicher ist nur eines: der Schleimfluss wird größer werden.

Um den entgegenzutreten, würde ich mir in diesen vier Jahren wünschen:

Keine Skandale mehr

Die Beweisführung ist längst abgeschlossen: Die AfD ist eine rassistische, nationalistische, reaktionäre, …phobe Partei. Wenn also einer ihrer Führungskräfte eine Aussage mit solchem Inhalt tätigt, sollte dies nicht zum Skandal taugen – kritisiert, widerlegt werden muss, aber nicht skandalisiert. Also keine Talkshows, in denen das Personal sich rausreden kann ohne sich zu distanzieren, keine Leitartikel, keine Twitterhashtags.

Der Rassismus, das eklig Rückwärtsgewandte ist der Markenkern der AfD, so wie es die Umwelt bei den Grünen oder die Wirtschaftsliberalität bei der FDP ist. Warum nicht schreiben: Die Reaktionäre von der AfD. Die homophobe Oppositionspartei. etc.

Auf Taten und Gelder schauen

Anstatt sich am Markenkern reiben, die AfD mit Sachfragen konfrontieren. Für Thüringen wird sehr wahrscheinlich Stephan Brandner in den Bundestag ziehen. Er hat eine sehr klare Meinung zu vielem. Warum nicht schauen, wie er seine Bezüge und Gelder verwendet, was für Auslagen er in Anspruch nimmt, welche Arbeit er leistet, wie oft er anwesend ist bei Sitzungen, was für Anträge er stellt.

Diskurs überprüfen

Die AfD verändert Sprache und bestimmt Themen der politischen Meinungsbildung. Ein Beispiel dafür ist das Kanzlerduell, in dem die Hälfte der Zeit für die Zuwanderung verwendet wurde und das nahezu ausschließlich mit einem Narrativ der Gefahr. Auch dass es beim Wahl-O-Mat eine These geben kann wie „Der Völkermord an den europäischen Juden soll weiterhin zentraler Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur sein“, muss der Präsenz der AfD zugeschrieben werden.

Es gilt zu hinterfragen, zu überprüfen, dagegen aufzubegehren, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Hinschauen, welche Parteien diese Erzählung auch übernehmen (z.B. das BILD-Interview mit Christian Linder zur Flüchtlingsfrage), also alle Kräfte, die abseits der AfD dazu beitragen, die Themen der AfD zu stärken.

Siehe auch: ÖVP, SPÖ, FPÖ.

Andere Parteien fordern

Sich als Partei gegen die AfD zu stellen, ist eine Sache. Politik zu betreiben, welche der AfD ihrer Grundlage beraubt, eine andere. Deshalb bei jeder Entscheidung, bei jeder Äußerung fragen: Wem nutzt das?

Überhaupt die zwei, drei Themen der AfD nicht als scheinbar einzig Relevante für das Land wahrnehmen. Stattdessen fragen: Wie ist das mit Kindergeld und der Anrechnung auf Hartz IV? Wie ist das mit den Mieten? Mit der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern? Befristeten Verträgen? Rentenbeiträge für Beamte? Ehegattensplitting? Erbschaftssteuer?

Weniger lächerlich machen

Was hat die Filterblase gelacht, als es dieses Video aus Bitterfeld gab, auf dem AfDler und Wutbürger Angela Merkel niederbrüllten. Wie leicht ist doch die Rechnung: Ostdeutscher=Nazi. Doch man wischt sich die Augen, wenn man Rassismus oder die AfD als ostdeutsches/sächsisches Phänomen abtut. Das Lächerlichmachen der AfD-Wähler erinnert fatal an die Videos aus den amerikanischen Satirepolitsendungen, die vor der Trumpwahl ins »Hinterland« fuhren, um dort Trumpwähler bloßzustellen.

AfD-Wähler mit Widersprüchen zu konfrontieren, ist wichtig. Sich darüber zu erheben, war niemals hilfreich.

Darauf einstellen, dass die AfD stärker wird

Die AfD wird in der Opposition sein, sie wird die Regierung attackieren und damit eine wichtige Funktion innerhalb einer Demokratie wahrnehmen. Das wird sie stärker machen, auch, weil Oppositionsparteien nichts leisten müssen außer zu kritisieren. Das wird sie – sofern nicht besondere Umstände eintreten – in vier Jahren noch attraktiver als Alternative erscheinen lassen, gerade, wenn ihre Sprache, ihre Themensetzung eine Form der Normalisierung erfahren haben sollten.

Dagegen anzugehen, sachlich und mit kühlem Kopf, mit Medien, die nicht auf Skandalisierung setzen, mit Freunden, die nicht nur auf Parolen und nackte Ärsche aus sind, mit Parteien, die aus dem Einzug von Rassisten in den Bundestag tatsächlich Lehren ziehen und eine andere Art Politik machen, das wird eine große, eine schwere Herausforderung, aber eine, die schaffbar sein muss.

Und um das Bild vom Anfang wieder aufzunehmen: Am Ende bewältigen die Ghostbusters den Schleimfluss, indem sie ihm die Freiheitsstatue entgegenstellen, diesem Symbol für eine offene Gesellschaft, die den Schwachen hilft, Send these, the homeless, tempest-tossed to me: I lift my lamp beside the golden door.