31. März | AstraZeneca III

Die letzten Tage wieder mehrere Gespräche über die Bedenken vor dem Impfen. Sorgen und Befürchtungen werden geäußert, auch die Absicht, abzuwarten, lange abzuwarten. Meine Meinung hat sich während dieser Gespräche nicht geändert: Weiterhin würde ich mich umgehend impfen lassen. Der Grund ist ein hoffender, vor allem ein mathematischer: Die Wahrscheinlichkeit eines schweren, möglicherweise tödlichen Krankheitsverlaufs ist so viel größer als der einer schweren, möglicherweise tödlichen Impfreaktion.
Heute der Beschluss, dass AstraZeneca, dessen Impfstoff nun den Namen »Vaxzevria« trägt, aufgrund einer Häufung von Hirnvenenthrombosenfällen nur noch an Über-60jährige geimpft werden kann. Fast alle Expert:innen begrüßen die Entscheidung. Die Häufung ist statistisch auffällig, neun Todesfälle werden damit in Verbindung gebracht. Automatisch könnte ich diese neun Todesfälle über einen Zeitraum von mehreren Wochen gegen die Todesfälle durch Covid in Relation setzen.
Zugleich wäre das auch wohlfein. Die Häufung der Fälle fand bei Frauen unter 50 statt. Was, wenn sie bei Männern unter 50 stattgefunden hätte? Würde ich dann auch leichthin in Relation setzen, hätte ich nicht zumindest ein mulmiges Gefühl, wenn ich im Spätsommer einen Termin bekäme und erführe, dass mein Impfstoff Vaxzevria wäre? Und sollte bei einem Heilmittel nicht das einzig mulmige Gefühl sein, dass man es zu spät bekommt?
Viele Fragen sind offen, z.B. weshalb es in Großbritannien, wo wesentlich mehr Impfungen mit Vaxzevria stattfanden, es keine Häufung gibt, offenbar auch keine Todesfälle. Dazu die Irritation: Als AstraZeneca zugelassen wurde, wurde es nur für unter 65 zugelassen. Nun nur für über 60. Expert:innen, die sich vor zwei Wochen noch energisch dafür aussprachen, trotz einer Häufung weiter zu impfen, unterstützen nun die veränderten Maßgaben.
Es sind diese schon mehrmals geschehenen Widersprüche der Pandemie – der bekannteste die veränderte Bewertung der Schutzwirkung von Masken – die Zweifel säen an den Aussagen der Expert:innen, Zweifel an der Wissenschaft. Es ist nicht einfach, diese auszuhalten, sich das Gegensätzliche selbst zu erklären. Auch die nächsten Gespräche über Impfbedenken werden dadurch nicht leichter, das mulmige Gefühl wird nicht mehr verfliegen.
Ansonsten: Sachsen erklärt, nach Ostern unabhängig von den Inzidenzwerten die Schulen und Kindergärten zu öffnen. In Tübingen, wo seit einigen Tagen das Modellprojekt einer offenen Stadt stattfindet, vervierfacht sich die Inzidenz seit Mitte März, verdoppelt sich seit Donnerstag. Kanzler Kurz droht mit einer Bestellblockade von 100 Millionen Impfdosen für Europa, wenn Österreich nicht zusätzliche Menge Impfstoff bekommt – Kanzler Kurz hatte im vergangenen Jahr aus Kostengründen deutlich weniger Impfstoff geordert, als Österreich eigentlich zugestanden hätte. »Testen ist auch eine Bürgerpflicht«, sagt Ministerpräsidentin Dreyer. Mehrere Einzelhandelsketten planen den Aufbau von Schnelltest-Zentren. Thüringen ist das Bundesland, in dem die meisten der gelieferten Impfstoffdosen schon verabreicht wurden. Wegen der inhaltlichen Ähnlichkeit zur Coronapandemie hält der Kindersender Nickelodeon die Folge »Kwarantined Crab« der Serie SpongeBob zurück; darin findet ein Gesundheitsinspektor im Restaurant Krosse Krabbe einen Fall von Muschelgrippe und stellt deshalb alle Gäste unter Quarantäne. Verdopplung der deutschlandweiten Inzidenz innerhalb drei Wochen.
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