In Altona in die Nord-Ostsee-Bahn einsteigen. Gewarnt wird: Heute kein Halt in Glückstadt. Gleich mal mit einer 2. Klassekarte in die 1. Klasse setzen. Graue Sitzschalen. Viel Beinfreiheit. Laptopsteckdosen über Kopf. Rekruten, die in Heide (Holstein) aussteigen werden, um dort ihre Ausbildung am Eurofighter zu beginnen. Rekruten fahren immer 1. Klasse, ich nur so lange, bis die Schaffnerin fragt, ob ich den Übergang zu zahlen bereit wäre. Zuerst der Gedanke, es handelt sich hierbei um die Überfahrt über den Hindenburgdamm, die mit einer Extraabgabe belegt wäre. Nach der Irritation dann die Flucht in die zweite Klasse und ich denke, dass ich damit schon die erste Metapher des Monats habe: als ein widerrechtliches Einschleichen in eine Zone, zu der ich standesgemäß keinen Zutritt hätte.
Reisen
la ville.
Fünf Momente der letzten zwei Wochen.
Israel. Geradeaus und dann rechts.
Eines wird von Anfang an klar: Zum Wohlfühlen fährt man nicht nach Israel. Das beginnt schon am Flughafen. Auf zehn Pulte verteilt stehen freundliche, aber energische Sicherheitsbeamte und wollen alles wissen. Warum man fliegt. Wohin. Wo man wohnt. Ob man dort jemanden kennt. Was man vorhat. Wohin man im Land reisen will. Ob man in Deutschland Israelis kennt. Oder Araber. Ob man schon mal in arabischen Ländern war. Jeder Antwort wird eine Gegenfrage entgegengesetzt, die nachhakt und Unstimmigkeiten entlarven soll. Das Seniorenpärchen braucht nur ein Bruchteil dieser Fragen zu beantworten, ich bin zwischen 20-30, männlich, trage einen Bart und ein Kapuzenshirt und habe etliche technische Geräte bei mir, die unter dem Röntgengerät wie Waffen aussehen könnten. Zusammen mit den maschinengewehrtragenden Polizisten und dem Panzerwagen auf dem Rollfeld ergibt sich ein Gefühl, welches die nächste Woche andauern soll. Einerseits. Anderseits: Besser zehn Minuten länger gefragt und dafür ein Gefühl von Sicherheit, so ungewiss wie möglich.
Budapest.
In den S-Bahnen strotzt es vor kleinen Hunden, die ungern getreten werden.
Kein rein deutsches Phänomen (I): Überwachung als Teil der Alltagskultur.
Ein Tag im Palast der Künste, dem monumentalen Prunkbau des Landes. Nicht hilfreich für die Beziehung zum Veranstalter ist, während des Konzerts die Bühne zu stürmen und einen Kameramann in die Mangel zu nehmen. Dafür garantiert ist jedoch Applaus vom Publikum.
Moldawien. Nachtrag.
Weshalb wir eigentlich dort waren:
In Moldawien.
Bevor man wegfährt, ist da meistens ein bestimmtes Bild im Kopf. Von Moldawien – erstmal nichts. Irgendwie Osteuropa, vielleicht schon Russland, sicher auch bizarr. Nach kurzer Recherche immerhin die Information, dass Moldawien das ärmste Land Europas ist. Moldawien gehört zu Europa? Das ist schon mal gut zu wissen.
Was zuerst auffällt sind die Handys. Und deren ständige Benutzung. Unsere Dolmetscherin sagt, dass man sich auf viele Dinge hier nicht verlassen kann. Deshalb müssen am Handy Zeiten neu verhandelt werden. Ansonsten helfen die Bilder, die man von Russland glaubt zu haben. Sozialistische Architektur neben deutlich kaputten Gebäuden neben Werbeplakaten von Tommy Hilfiger neben Glaspalästen neben historischen Bauten. Alles zusammen und alles ergibt irgendwie kein Ganzes. Alte Frauen schieben betagte Kinderwagen aus Supermärkten, junge Frauen tragen die unmöglich höchsten Absätze oder Stiefel, Männer gestreifte Pullover. Dazwischen immer wieder Hunde, Hunderippen vor allem, die ein eigenes Leben in den Straßen führen und gelernt haben eine vierspurige Straße im dichtesten Morgenverkehr zu überqueren.
Straßenläufer von Krakow. Mit Musik.
12 Momente der letzten beiden Wochen