Im Kino. Eine Sonne für das Paralleluniversum.

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Inglorious Basterds

Hätte ich ein Profil bei Twitter, würde ich schreiben: inglorious basterds – immer dann super, wenn die basterds nicht im bild sind. Ständen mir mehr als 140 Zeichen zur Verfügung, könnte ich diese pauschale Einschätzung ergänzen. Ich würde ausführen: Weil sich in mir eine Unruhe ausbreitet, viel eher noch das unangenehme Gefühl hier das Werk eines 12jährigen zu sehen, der sich ein Hakenkreuz in den Arm ritzt, um bei den 14jährigen mit Nonkonformismus zu punkten. Also das Gegenteil von cool. Beispielhaft stehen dafür Eli Roth und Til Schweiger. Einfach nur grimmig schauen und Nazis mit Baseballschlägern den Kopf einschlagen genügt nicht. Bleibt nur der schale Blick eines Regisseurs, der meint alles mit gelben Schriftarten und „Leck Mich“-Dialogen assimilieren zu können, dabei aber kräftig schludert und viel schlimmer noch, dabei so arrogant in seiner Coolness wirkt, dass Nazis in diesem Kontext zu Sympathieträgern werden.

Glücklicherweise spielen die Basterds in Inglorious Basterds nur eine untergeordnete Rolle. Übersprünge man das zweite Kapitel, wären sie nur unwichtige Randfiguren, die Posterboys dieses historischen Popkulturmischmaschs. Aber entscheidender im Film: Kino. Wie Kino Bösewichte darstellt. Also Nazis, die ultimativsten aller Bösewichte. Oder wie Kino überhaupt Dinge darstellt. Welche Macht darin liegt. 95% des Films bestehen aus (für Tarantino erstaunlich unverspielten) Dialogen. Trotzdem sagt das Bild von Hans Landa, der eine halbaufgerauchte Zigarette in einen halbaufgegessenen französischen Apfelstrudel ausdrückt mehr aus als jedes Wort, das seine Rolle genauso einprägsam macht wie Javier Bardem in No Country For Old Men. (Wobei Bösewichte gegen den Strich bürsten so einfach scheint wie Fische in einer Regentonne fangen). Trotzdem ist der Schluss des [Spoiler] lichterloh in Flammen stehenden Kinosaals, in dessen Rauch der Projektor das Gesicht der eben gestorbenen, dämonisch lachenden Melanie Laurent projiziert, gleichzeitig obszön wie eine spektakuläre Überhöhung des Kinos, gleichsam Feuerhölle wie Himmel, in dem die Toten ewig weiterleben. [/Spoiler]

Die ZEIT (in diesem Fall: Jens Jessen) stellt die These auf, dass der Filme diese These aufstellt: „Hätten sich die Juden nur beizeiten amerikanisiert und nach dem Vorbild der edlen Wilden verroht, dann wäre ihnen ihr Schicksal als Opfer erspart geblieben.“ Und schreibt wenige Absätze später: „Ein Fest für intellektuelle Kinoliebhaber, denen die Würde des Gegenstandes gleichgültig ist, solange es nur ihrem Scharfsinn Bestätigung gibt.“ Ein Film voller Widersprüche. Warum sollten die Reflexionen darüber anders sein?

Die Partei – Der Film

Chuzpe wäre das Wort, welches Die Partei – Der Film wohl am besten beschreibt. Chuzpe, im Bundestag das Büro eines FDP-Abgeordneten auszumessen und zu fragen, ob das Zimmer nach der Wahl besenrein übergeben wird. Chuzpe, einen Wahlwerbespot bei Ebay zu versteigern. Chuzpe, an der hessisch-thüringischen Grenze einige Steine übereinanderzustapeln und behaupten, man baue die Mauer aus Populismus wieder auf. Und natürlich die Chuzpe, als Vertreter des Deutschen Bundestages nach Georgien zu fliegen und dort bilaterale Verträge mit der georgischen Arbeiterpartei zu unterzeichnen. So dokumentiert der Film diese Chuzpe, die vor allem die Chuzpe von Martin Sonneborn ist, eine Sonne, um die sich alle Planeten in diesem Paralleluniversum drehen.

Drei Dinge haben mich an der Die Partei immer gestört. Diese, nie näher erklärte Fixierung auf den Osten Deutschlands. Den einfachsten aller Wege zu gehen und Punkte mit Scherzen über das Aussehen von Angela Merkel machen zu wollen. Der Missstand, nicht allen Mitgliedern vermitteln zu können, dass Die Partei alles sein kann – außer einer Spaßpartei. Denn sobald man versucht, Die Partei als Satire zu begreifen, löst sie sich im Nichts auf. Im Film finde ich einen vierten Punkt – das Frauenbild. Die Kanzlerin wird gecastet. Mit Hilfe einer Misswahl. Also enge bzw. wenig Kleidung und ein Laufsteg in einem Raum mit biergeschwängerter Luft. Ein Gefühl wird erzeugt, welches sich im Kinosaal fortsetzt. Dort wird gejohlt. Da ist mir das Frauenbild von Horst Schlämmer oder Edmund Stoiber fast noch lieber, weil dieses zumindestens nicht ironisch gebrochen ist. Ansonsten natürlich der wichtigste Film für die nächsten vier Wochen, der gern anstatt von Anne Wille, Sandra Maischberger und der mdr-Elefantenrunde ausgestrahlt werden sollte.

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