Nicht plärren. Nicht schubsen. Nur Schneebälle.

Buchenwald

# Buchenwald

Am Freitag war ich in Buchenwald. Strahlend blau der Himmel, weit und weiß lag Schnee auf dem Gelände, die entsetzliche Leere. Zehn vor zwei liefen ein paar Jungs Richtung Parkplatz, »Da isser, er kommt« riefen sie einander zu und »Nicht plärren. Nicht schubsen. Nur Schneebälle.« Gleich darauf kehrten sie unverrichteter Dinge zurück, der Fraktionsvorsitzende hatte einen sehr kurzen Auftritt gehabt.

Die Gedenkveranstaltung begann mit einiger Verzögerung. Einer der Sätze war: »Innehalten genügt nicht mehr.« Zwei Landtagsabgeordnete der Alternative, einer im schwarzen Mantel, eine im weißen Pelz, hatten sich unter die Anwesenden gemischt. Sie wurden erkannt, »Sie sind eine Schande für das Land« wurde gerufen und der im Mantel zückte sofort sein Smartphone, filmte, rief: »Nein, Sie sollten sich schämen.« Nachdem sie einem Journalisten Antworten in den Block diktiert hatten, verließen sie das Gelände.

Es ist die Schrödingers Katze der Alternative, nur ein Zustand ist letztlich möglich: Entweder legt man einen Kranz in Buchenwald nieder. Oder man belässt einen mit einer Dresdner Rede in der Partei. Beide Zustände zugleich sind unmöglich. In beiden Zuständen agieren zu wollen, ist die Entscheidung für einen Zustand, eine Schlussfolgerung so lange schon so offensichtlich, dass sie nicht aufgeschrieben werden müsste, selbst für Wähler*innen der Alternative nicht mehr.

# 15:30

Das Hausverbot für Björn Höcke galt bis 15:29 Uhr. Danach hätte er auf dem Gelände in aller Ruhe, gemessen und still, der Ermordeten gedenken können. Allerdings hatten da die Kameraleute ihre Kameras eingepackt, waren die Redakteurinnen schon am Schneiden und hatten den Namen Höcke längst in den nächsten Nachrichtenzyklus eingespeist.

# Mann am Tisch

Der Präsident sitzt am Tisch, umgeben von anderen Männern, einige in Uniform, viele in Anzügen, nur Stephen Bannon in heller Cargohose, als einziger entspannt, fast beschwingt. Der Präsident unterzeichnet ein Dekret, hält das Papier in die Kamera, mit einer Miene, die er als staatstragend empfindet – er hat etwas getan. Er ist aktiv geworden. Er ist ein Macher. Er hat einen seiner Tweets unterschrieben und sein Amt lässt nun diesen Tweet Wirklichkeit werden. Weiterlesen

Kampfquallen mit Freisprechanlagen

swag-1+++ ???! +++ Storch +++ Sport +++ Fakenews +++ Tresentwitter +++

# Kampfqualle, unangeleint

Bei Max Goldt den schönen Satz gefunden: »Weltgeschichte kotzt mich gerade an wie eine unangeleinte Kampfqualle.« Wird man bestimmt häufiger gebrauchen können in diesem Jahr.

# Schnee

Woher dieses Bedürfnis, sowie sich eine Schneedecke gebildet hat, diese mit Salz wegzuätzen? Natürlich Gesetze, natürlich Beinbruch. Aber müsste es nicht einen Moment des Zögerns geben, einen offensichtlichen Widerwillen, vielleicht einen Akt des Ungehorsams, weil so eine allumfassende Schneedecke doch meistens anmutiger ist als alles darunter und selten dazu?

# Sport

Kamil Stoch, dem Gewinner der diesjährigen Vierschanzentournee, fehlt nur ein r zum nahezu perfekten Namen. Das ist alles, was ich dazu sagen kann und auch zum Biathlon und der Handball-WM. Das fehlende Interesse liegt weniger an den Sportarten selbst, als vielmehr an der Häufigkeit, mit der Sieger darin gekürt werden. Jedes neue Jahr bringt neue Gewinnerinnen, was den einzelnen Gewinn entwert, fast möchte ich schreiben, bedeutungslos macht.

Selbst beim heiligen Fußball sinkt die Spannung mit jedem Jahr, in dem ich Fußball verfolge und ich frage mich, was in fünfhundert Jahren sein wird, wenn Deutschland oder Brasilien jeweils vierzigmaliger Weltmeister sind.

# Twittertrump

Was geschähe, wenn Twitter Trumps Account stilllegen würde?

# Twittercharakter

Noch mal Twitter. Twitter hat ja nur die eine Funktion: den Charakter des Twitternden zu offenbaren; aufgeweckt, wortgewandt, fad, engagiert, lakonisch, hämisch, niederträchtig etc. 140 Zeichen sind Gedanken wie unvermittelt aufgestoßene Luft, nichts, was relevanter wäre als ein Gespräch am Tresen. Probleme entstehen, wenn den 140 Zeichen mehr Bedeutung zugeschrieben wird, z.B. eine inhaltliche.

# ???!
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Die duldende Mehrheit

djt

Das Problem sind nicht die RassistInnen.
Das Problem sind nicht die Klimaskeptiker, nicht die Xenophoben, nicht die Homophoben, die NationalistInnen, die Tea Partyler, die militanten AbtreibungsgegnerInnen, die KreatonistInnen, die NeofaschistInnen, nicht die Politisch Unkorrekten, nicht die FrauenhasserInnen, nicht die Reaktionäre.
Das Problem sind nicht die, die Trump wegen seiner Ansichten gewählt haben.

Das Problem sind die, die ihn trotz seiner Ansichten gewählt haben.

Das Problem sind die 120 Millionen AmerikanerInnen, die trotz der Informationen, die sie über Trump hatten, lieber Kaffee gekocht, eine Folge »The Walking Dead« geschaut, einen Kommentar auf Reddit gepostet haben, als am 9. November 2016 ihre Stimme gegen Trump einzusetzen.
Das Problem sind die, die trotz Trumps Kandidatur nicht gewählt haben.
Das Problem ist die duldende Mehrheit. Weiterlesen

11/9 in Zitaten.

»Und wir – ich auch – müssen unsere Fehler erkennen. Dringend. Wir, die publizistisch und aktivistisch gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gekämpft haben, hier in Europa. Wir müssen unsere Fehler in den kommenden Wochen, Monaten, Jahren analysieren und daraus Konsequenzen ziehen. Wo haben wir gehofft, statt zu erkennen? Wo haben wir ignoriert, statt hinzusehen? Wo haben wir geschwiegen und geduldet, statt zu sprechen und zu handeln? Wo lagen wir schlicht und ergreifend falsch? Denn wir haben es hier in Deutschland, in Europa mit denselben Leuten, denselben Gefühlen zu tun wie in den USA. Wir haben oft dieselben Instrumente und Ansätze für politische Bildung, inhaltliche Überzeugung, moralische Grenzsetzung benutzt, die offensichtlich nicht funktionieren. Die Wahl von Trump ist damit das Ende unserer Gewissheit, wir wüssten, wie die dunkle, wütende, hassende Seite in uns allen zu besiegen sei.«

»Diesbezüglich ist die Wahl von Trump auch als Rache am korrupten Neoliberalismus zu lesen, die gleichzeitig den Verlust linker Werte spiegelt: Die Wähler der weißen Mittelschicht verweigern ihren schwarzen und muslimischen Nachbarn die Solidarität und ermöglichen damit letztlich eine Institutionalisierung und Normalisierung jetzt bereits rassistischer Strukturen, die bereits vor der Wahl jede Menge Todesopfer forderten. Das taten sie für die scheinbare Sicherheit von Industriejobs und sie nehmen dafür Trumps Normalisierung von Rassismus in Kauf, der sich jetzt bereits in Gewalt an Schwarzen und Homosexuellen äußert.«

»Blacks riot, Muslims set bombs, gays spread AIDS, Mexican cartels behead children, atheists tear down Christmas trees. Meanwhile, those liberal Lena Dunhams in their $5,000-a-month apartments sip wine and say, „But those white Christians are the real problem!“ Terror victims scream in the street next to their own severed limbs, and the response from the elites is to cry about how men should be allowed to use women’s restrooms and how it’s cruel to keep chickens in cages.« Weiterlesen

Trump. Molotowcocktail ins System.

Seit 2000 schaue ich die amerikanische Wahlkampfnächte. Über die Jahre hinweg hat sich eine gewisse Routine entwickelt. Die Öffentlich-Rechtlichen zunehmend seltener, CNN, dazu immer wieder in Fox News reinzappen, später das Internet, Blogs, soziale Medien, Twitter, Posten, über Links stolpern, andere Infos, Ansichten, ein fernes Rauschen eben.

In diesem Jahr kam ich den irrsinnigen Ereignissen dieser Nacht immer dann am nächsten, wenn ich den Livestream von Jan Böhmermann verfolgte.

Der setzte sich mit seinem Team in ein Wohnzimmer, schaute die Wahl und kommentierte. Anfangs alle Stimmen durcheinander, einige aus dem Team ergriffen – natürlich ironisch – Partei für Trump. Über allen Scherzen und Verweisen lag die beruhigende Gewissheit, dass Hillary Clinton gewinnen würde. Ein Stream wie der Griff Jimmy Fallons in Trumps Haar.

Eine amerikanische Wahl ist nicht einfach zu verstehen. Welcher Staat wann wählt, welcher Kandidat welchen Staat gewinnen muss, wann wie viele Stimme wo ausgezählt sind – verwirrend viele Zahlen schwirren auf den Bildschirmen. Eine Interpretation fällt oft schwer. Nur weil Clinton drei Uhr nachts MEZ zwanzig Wahlmänner mehr als Trump hat, bedeutet das nicht, dass es gut für sie läuft. Weiterlesen