Kino. Interesse an einer Geschichte, die sich einfach so runtererzählt.

True Grit | The King’s Speech | Drei | Hereafter | Somewhere | Tron: Legacy

True Grit

Vielleicht hatten die Gebrüder Coen nach dem verzwickten, fußnotengespickten, großartigen „A Serious Man“ Interesse an einer Geschichte, die sich einfach so runtererzählt. Die sich ein klares Ziel setzt, auf den Weg dahin keine Umwege nimmt und keinen doppelten Boden aufweist, der vielleicht noch eine zweite Ebene miterzählen könnte. Vielleicht wollten die Coens so schnörkellos wie möglich Jeff Brigdes die Möglichkeit geben, in seiner Paraderolle als verpeilter, aber gutmütiger Kauzbart zu schwelgen, Josh Brolin wieder mal komplett anders aussehen zu lassen als in jedem seiner anderen Filme, nebenbei dem Nachwuchs nicht nur eine Chance zu geben, nein, Hailee Steinfeld ans Firmament zu katapultieren und außerdem auf alle Elemente zu verzichten, bei denen ich sagen könnte: die haben Finesse. Dann aber, kurz vor Ende, reitet Rooster Cogburn mit der bewusstlosen Matti Ross in den Armen sehr offensichtlich vor einer Leinwand, welche die Prärie simulieren soll. Und ich muss mich fragen, ob die Coen das überhaupt können: Filme ohne Finesse zu drehen. Und ob es nicht die größte Kunst ist, einen schnörkellosen Film zu machen, der vorgibt keinen doppelten Boden oder zweite Ebene zu haben. Und sich genau damit ins Fäustchen lacht.

The King’s Speech

Es ist ja immer auch eine Frage, zu welchem Zeitpunkt man Filme schaut. Hätte ich „The King’s Speech“ vor einem halben Jahr gesehen, hätte ich möglicherweise gedacht: „Ein gut gemachter, unterhaltsamer Film über eine sehr interessante und mir unbekannte historische Begebenheit, ein Film, dessen Stärke es ist, einen Aspekt konsequent ins Zentrum zu stellen und so über Medien reflektieren und damit auch aktuelle Diskussionen befeuern zu können.“ Ein halbes Jahr später jedoch – also heute – ist „The King’s Speech“ der beste Film des vergangenen Jahres. Hat alle wichtigen Preise gewonnen und wird in einer Reihe stehen mit den ganz Großen. Und da muss man doch etwas genauer hinschauen. Und fragen, wie groß die Geschichte tatsächlich ist. Wo es sich das Drehbuch vielleicht etwas zu leicht macht. Wo es den Wohlfühlfaktor über alles andere stellt. Wo eben sicher gestellt werden muss, dass keinerlei Irritationen den Weg des AntiHelden stören, so dass am Ende auch sicher gestellt ist, dass der Zuschauer mit einem guten Gefühl aus dem Kinosaal entlassen wird anstatt zu fragen: Kann wirklich eine finale Rede das Schicksal einer ganzen Nation entscheiden? Und wie sähe eine solche Nation aus? Wie der Zusammenschnitt am Ende? Und wieso geht der Regisseur niemals auch nur das geringste Wagnis ein, anders als David Fincher und vielmehr noch Darren Aronofsky?

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Im Kino mit Clive, Clint, Tom und Sam.

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Diesmal geht es darum, möglichst oft die Worte „System“ und „klassisch“ zu verwenden.

The International

Das ist so ein Film, dessen Urteil viele bestimmt in einem Wort fällen: sinnlos. Weil [Spoiler] der Zuschauer am Ende genauso verdattert über den Dächern von Istanbul steht wie Clive Owen. Mit nichts den Händen. Der Hydra einen Kopf abgeschlagen, der schon zwei während des Abspanns nachwachsen. [/Spoiler] Nicht Rache hat der Held nehmen können, nicht mal die Option gehabt, auf die Rache zu verzichten und damit zu beweisen, dass er seine Ideale über seinen Gerechtigkeitssinn stellt. Verdammt zur Untätigkeit, was vermutlich das schlimmste ist, was einem Helden im Film passieren kann, so als ob während des Showdown von James Bond plötzlich der Oberbösewicht ausrutscht und vom Dach fällt.

Dabei ist Clive Owen der ideale Held einem klassisch konstruierten Actionthriller: Ohne Familie, ohne Schärfe, ohne nachlässig konstruierte Hintergrundgeschichte folgt er einfach kompromisslos seiner Verpflichtung einer gerechteren Welt gegenüber. Tom Tywker inszeniert das, wie von ihm mittlerweile in Großproduktionen gewohnt, seltsam uninspiriert. Als wäre sein visueller und auch inhaltlicher Wille zur Grenzüberschreitung an Ketten gelegt. Nur hin und wieder gestattet er sich kleine Ausreißer, hält inne, versucht Konturen zu geben, baut Anspielungen auf die Funktionsweise von Thrillern/Filmen ein („Der Unterschied zwischen Wahrheit und Fiktion? Fiktion muss Sinn ergeben“) und zeigt die Glasfassaden der Hochhäuser einen Tick länger, als das der vergleichbare und wesentlich hektischere Bourne das getan hätte. Aber unterhalb der Oberfläche agiert niemand. Nur Schemen sind dort zu ahnen.

Der fremde Sohn

Clint Eastwood hätte seinen Film auch komplett anders erzählen können. Angelina Jolies Sohn verschwindet und als ihr nach einem halben Jahr ein Junge zurückgebracht wird, ist das nicht ihr Kind. Eastwood lässt von Beginn an keinen Zweifel, dass Jolie nicht irrt. Sein Film hätte ihre Wahrnehmung in Frage stellen können und damit auch den Zuschauer zu einer Entscheidung zwingen können: Glaube ich der Hauptdarstellerin oder glaube ich ihr nicht? Stattdessen eine Geschichte, die einen klassischen Kampf zwischen Gut (Jolie, das Individuum) und Böse (das LAPD, das System) erzählt. Und weil Eastwood etwa 75 Jahre seines Lebens mit Geschichten verbracht hat, weiß er genau, wie Zuschauer reagieren. Und das funktioniert. Schnell ballt man Fäuste angesichts der Ungerechtigkeiten, die Angelina Jolie widerfahren, wünscht dem selbstgefälligen Ermittler die Pest an den Hals und erfährt am Ende jede Menge Genugtuung, [Spoiler] wenn die korrupten Beamten ihrer Strafe zugeführt werden.

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