I. Sachsenscham
Mitte der 1990er Jahre begriff ich, dass ich mich für meine Heimat schämen sollte. Es muss Harald Schmidt gewesen sein, er imitierte in seinem Stand-Up das, was er als sächsischen Dialekt vermutete und die Leute lachten, die Pointe hatte nichts mit Sachsen zu tun, es ging irgendwie um das, was Schmidt später als Unterschicht bezeichnen sollte, ein bisschen Assi, ein bisschen zurückgeblieben, auf ordinäre Weise unterbelichtet, das war die Pointe, deshalb lachten die Leute und um dieses Lachen zu erzeugen, brauchte es nur das Sprechen meiner Heimat.
Ich hatte mir zuvor nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Familie im Erzgebirge, Familie im Vogtland, Freunde bei Leipzig und Dresden, ich lebte in Westsachsen – das eine Sächsisch gab es nicht, und ich stellte fest, dass es das doch gab, in der Vorstellung anderer gab es das und dieses Sächsisch hatte einen Ruf, übel war der, und damit war nicht das »übelst« gemeint, das meine Freunde immer dem voranstellten, was sie besonders gut fanden.
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