Lesungstagebuch: Der Schlaf und das Flüstern.
Wenn man aus einer Gegend stammt, in der Karneval nur als urbane Legende existiert und zudem Fasching heißt, geht man mit bestimmten Erwartungen an eine Fahrt nach Köln drei Tage vor Rosenmontag. Im Vorfeld entstanden längere Pausen, wenn ich Bekannte dort fragte, ob denn die Berichte übertrieben wären, bevor als Antwort kam: Ganz so schlimm ist es auch nicht. Das so hat dabei so viele o’s wie ein Googol Nullen.
Dabei fängt die Fahrt farblos an. Denn außerhalb des Zugfensters ist alles schneeweiß. Im Prinzip ändert sich das genau dann, als der ICE im Hauptbahnhof einfährt. Aus farblos wird bunt; Flecken von Giraffenschminke, rote Marienkäferpunkte, Kätzchenohren aus Plüsch, SiebenZwergeGruppen mit DIE TRÖTE für 3€, Männer wie Gießkannen verkleidet und Frauen mit Afros und … dann merke ich auch schon, dass es wenig Sinn ergibt, etwas beschreiben zu wollen das für viele einmal im Jahr Alltag ist und für alle anderen unverständlich. Das soll es auch bleiben.
Jede Lesung ist ja anders und diese besonders. Weil sie noch Interview ist und FreitagAusgehAbendTanzMusik bietet und deshalb im Radio übertragen wird. 1Live heißt der Sender. Im Vorfeld waren es Vorfreude und Panik, die sich gegenseitig nie die Waage hielten, denn Panik hielt sich immer alle Optionen offen. Denn klar ist: In Interviews können Fragen kommen. Und diese Fragen könnten zu einem Blackout meinerseits führen. Dass also plötzlich alle Gedanken verschwinden und nur ein schwarzer Punkt durch mein Gehirn irrt und ich verzweifelt versuche ihn zu erwischen, so wie eine Gottesanbeterin irrsinnig auf einem Computerbildschirm einem Mauszeiger nachjagt, solange, bis der Moderator gnädigerweise die nächste Frage stellt, immer im Bewusstsein: Stille ist der Tod des Radios.